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Graue Stämme auf Grenzerfahrung


Dass wir mit Rucksäcken die Welt bereisen ist hinlänglich bekannt und erfüllt das Klischee. Dass sich BdP-Gruppen jedoch auch in der außerschulischen Bildung betätigen ist nicht bei Jedem bekannt. Auf 28 Teilnehmer wuchs die Fahrtengruppe der Stämme Graue Biber und Graue Drachen an, die sich in der ersten Oktoberwoche traf, um gemeinsam im Werratal unterwegs zu sein. Angekommen in Eschwege am frühen Nachmittag, galt es am ersten Tag zunächst nur noch 5km zu unserem Lagerplatz zu laufen. Schnell mussten die Jüngsten unter uns die Bedeutung von eng aneinander liegenden Höhenlinien auf der Landkarte erkennen. Somit war nach nur 2 km das Umverteilen von Kothenplanen angesagt. Noch vor Anbruch der Dämmerung erreichten wir dennoch unser Tagesziel bei Hitzelrode und konnten unsere vier Kothen aufschlagen. Angesichts der Gruppengröße mussten wir auf eine Gemeindefläche am Dorfrand nutzen, die wir zuvor ganz offiziell angefragt hatten.

Wer sich aufs lange Schlafen am nächsten Morgen gefreut hatte, wurde gegen 8 Uhr jäh aus den Träumen gerissen. Das erste Etappenziel des Tages, das Grenzmuseum Schifflersgrund, welches als eines der Highlights unseren Bildungsanspruch bestätigen sollte, galt es rechtzeitig zu erreichen. Kaum gestartet, stellten wir schnell fest, dass Verlaufen in der Region nahezu unmöglich war, da der Kolonnenweg der ehemaligen DDR-Grenztruppen unübersehbar ist - diesem war einfach nur zu folgen. Wenn die dort auf dem Weg verlegten Betonplatten nicht mit gemeinen Löchern versehen wären, wäre es ein Leichtes gewesen, dort zu laufen. So aber musste man schon ziemlich aufpassen, wo man seinen Fuß platzierte, um nicht zu stolpern. Entlang des „grünen Bandes“ ging es nun also bei leichtem Nieselregen kilometerlang bergauf und bergab durch die hessische Schweiz. Auch hier gab es somit eine praktische Übung bei der Deutung von Höhenlinien auf der Landkarte. An dem Grenzmuseum angekommen, wurden wir bereits erwartet und nach einer kurzen Essenspause erhielten wir eine Führung, die uns die Bauweise und Eigenschaften der ehemaligen Grenzbefestigung erläuterte. In Schifflersgrund sind zahlreiche Sicherungsarten nachgestellt und ein 1km langer Abschnitt des Grenzzaunes ist sogar gänzlich erhalten geblieben. Fast alle von uns waren zum ersten Mal auf diese Weise mit der ehemaligen Grenze konfrontiert. Bilder und Videos hat man zwar schon mal gesehen, doch wenn man direkt vor sich den 3m hohen Zaun mit der installierten Selbstschussanlage sieht, ist das eine bedrückende Erfahrung. Im Anschluss an die Führung konnten wir uns noch mit einer Thüringerin über das Leben jenseits des Zaunes austauschen und sie nach ihren Erlebnissen und Geschichten ausfragen. Das Geschilderte beeindruckte und lies den stundenlangen Marsch bei Regen vergessen. Nach gut 3 Stunden mussten wir uns weiter auf den Weg nach Bad Soden-Allendorf machen, da wir dort bei dem Stamm Mittelerde die Nacht verbringen wollten. Da vor Ort nur zwei Kothenstangen verfügbar waren, die Dunkelheit einsetzte und der Regen nur langsam aufhörte, beschlossen wir es uns im Stammesheim gemütlich zu machen und dort die Nacht zu verbringen. Da die Heizung nicht eingeschaltet war, eine Toilette verstopft war und nur jeder dritte Lichtschalter funktionierte, war es im Endeffekt nur ein bescheidener Luxus. Immerhin war es trocken! Babsi zauberte mit ihren Mädels in der Küche und so hob das Essen die gute Stimmung noch ein Stück höher. Eine Singerunde wollte sich an diesem Abend dennoch nicht einfinden und so vertrieben wir uns die Zeit mit kleineren Spielchen, bevor wir müde in die Schlafsäcke krochen.

Der nächste Morgen begrüßte uns mit – wer hätte es gedacht – Nieselregen und ungemütlichen 6 Grad. Kanu fahren stand heute auf der Tagesordnung und da nur echte Pfadfinder dem Wetter trotzen, setzten wir uns nach dem Frühstück nach Kleinvach in Bewegung um bei dem vollkommen erstauntem Kanu-Verleiher einzulaufen. Der hatte sich auf einen freien Tag eingestellt und nicht mit unserer Zähigkeit gerechnet. Gebucht ist gebucht und so lange sich beim Paddeln keine Eiszapfen bilden oder vor lauter Regen das Boot vollläuft, ziehen wir das durch. Als freundliches Entgegenkommen konnten wir unsere Rucksäcke in dem Transporter, welcher am Abend die Kanus mit Anhänger wieder einsammelte, verstauen und hatten somit wesentlich mehr Beinfreiheit in den Booten. Bereits nach den ersten Metern entwickelten sich interessante Fahrstiele, die hin und wieder mit einer Uferberührung endeten. Gekentert ist kein Boot und so kamen wir gut voran und erreichen gegen Mittag die Schleuse in Bad Soden-Allendorf. Da die Werra extremes Niedrigwasser verzeichnete, konnte die Schleuse nicht genutzt werden, was nun ein manuelles Umsetzen der Boote erforderte. Mit vereinten Kräften schafften wir somit die acht Kanus aus dem Wasser, trugen sie 100 Meter, um sie nach der Schleuse wieder in das kühle Nass zu setzten. Diese kleine Pause nutzen wir auch gleich zum Mittagessen und so ging es frisch gestärkt auf dem Fluss weiter. Inzwischen hatte der Regen aufgehört und so konnten wir die Fahrt auf dem Wasser zunehmend genießen. Auch das Steuerpersonal der Boote wurde zunehmend sicherer und so erreichten wir Werleshausen, am Fuße der Burg Ludwigstein, nach einigen Stunden ganz entspannt. Nach dem Verladen der Kanus auf den Anhänger und dem Entgegennehmen unserer Rucksäcke galt es noch den steilen Aufstieg zu der Burg zu meistern. Vollzählig oben angekommen, entluden wir den Materialanhänger, welchen Floh am Tag vor der Fahrt hier abgestellt hatte. Nun hatten wir sogar auch noch eine Jurte im Zelt-Aufgebot, was für 28 Personen durchaus sinnvoll war. Zum Kochen gönnten wir uns die Anmietung der noch recht neuen Zelterküche. Über zu wenig Platz, fehlende Koch- und Spülmöglichkeiten konnte sich nun Niemand beklagen. Die Möglichkeiten wurden sogleich mit einem großen Topf Chili getestet, bevor wir den Abend mit einer Singerunde ausklingen ließen.

Der nächste Tag begann mit Ausschlafen und so war es 10 Uhr, als wir uns zu unserer Frühstücksrunde versammelten. Mit frischem Kaffee, Tee und einem abwechslungsreichem Nahrungsangebot, begannen wir langsam den Tag, der zum Ausruhen eingeplant war. Ungefähr die Hälfte von uns nutze den Nachmittag, um zu der 4km entfernt gelegenen Burg Hanstein zu laufen. Ohne Gepäck und bei Sonnenschein war es ein gemütlicher Spaziergang, der uns mit einer atemberaubenden Aussicht von dem Burgturm auf Thüringer Gebiert belohnte. Die Daheimgebliebenen erkundeten die Ludwigstein, versorgten ihre Blasen an den Füßen oder genossen einfach nur die Sonnenstrahlen. Wieder vereint am Abend testeten wir das burgeigene Schwimmbad. Streng genommen ist das Schwimmbad ja nur das Löschwasser für den Falle eines Brandes. Ein Lob an die Burgverwaltung an dieser Stelle für die pfiffige Idee, den vorgeschriebenen Wasservorrat in ein Planschbecken umzuwandeln. Nach diesem entspannten Tag gab es bei den Grauen Drachen noch eine Versprechensfeier, bevor wir uns dann bis 4 Uhr in der Jurte beisammensaßen und die Klampfen und Stimmen erklingen ließen.

Da wir unserem oben erwähnten Bildungsanspruch nicht aus den Augen verloren hatten, ging es schon früh am nächsten Morgen in das Archiv der deutschen Jugendbewegung. Susanne, die hier verantwortlich ist, gab uns einen kurzweiligen Einblick, was es mit dem Archiv auf sich hat und wie, was und warum es hier oben auf der Burg lagerte. Da wir uns vorbereit und Exponate vorab angefragt hatten, konnten wir Schriftwechsel zu den Gründungen unserer Stämme und des Landesvorstandes einsehen. Sehr interessant war auch die Auflistung der in den frühen 70er Jahren aktiven hessischen Stämme, deren Anzahl und Orte sich doch stark von der heutigen Situation unterscheidet. Direkt im Anschluss ging es zur Jugendbildungsstätte, wo uns Schlumpf über den Bau des Enno-Narten-Baus berichtete. Es ist mehr als beeindruckend, wenn man sich die Zahl von mehr als 40.000 ehrenamtlich geleisteten Stunden von Pfadfindern, Wandervögel und Privatpersonen vor Augen hält, die für den Bau erbracht wurden. Respekt und absolute Hochachtung für jeden Einzelnen, der seine freie Zeit mal eben auf der Burg zum Arbeiten verbringt. Motiviert von dieser Leistung hatten wir im Vorfeld Kontakt zu Kafe (quasi der Hausmeister der Burg) gesucht, um uns ebenfalls mit Taten am Erhalt der Burg zu beteiligen. Kurze Zeit später sah man 28 Pfadfinder mit Bau-Gelben Halstüchern auf der Burg beim Arbeiten. Ein Teil schleppte alte Kloschüsseln, Waschbecken, Türen und Schutt in Container, der andere Teil übte sich beim Kehren. Sicherlich keine komplizierten Tätigkeiten, dennoch Dinge, die mit 28 Personen schneller von der Hand gehen, als wenn man sie alleine stemmen muss. Nach diesem abwechslungsreichen Tag hatten wir uns die Käsespätzle am Abend redlich verdient und da wir ja den Luxus einer Küche hatten, war das Spülen recht schnell erledigt. An diesem letzten Abend auf der Burg zauberte unser traumhaftes Küchenteam sogar einen Nachtisch. Nach der Schlemmerei war die Stimmung in unserer Singerunde ausgelassen und so dauerte es bis in die frühen Morgenstunden, bis auch der Letzte in seinen warmen Schlafsack kroch.

Kalt waren die Nächte, das muss hier mal erwähnt werden. Laut Vorhersage sollten es eigentlich immer so 6-10 Grad sein. In der Realität waren wir froh, dass wir bei den sternklaren Nächten keine Eiszapfen an den Zelten hatten.

Der letzte Tag brach an, was ein zeitiges Aufstehen und ein rasches Abbauen der Zelte erforderte, da Züge selten auf eine verspätete Pfadfindergruppe warten. Dennoch gönnten wir uns ein paar Minuten für eine stimmungsvolle Abschlussrunde im Burghof. Von dort trennten sich bereits die Wege, doch waren wir uns alle einig, dass wir nicht das letzte Mal auf der Burg und im Werratal gewesen sind.

Ein großer Dank geht an dieser Stelle an die „Stiftung Pfadfinden“ und das Bundesinnenministerium mit dem Programm „Demokratie Leben!“, die uns finanziell bei der abwechslungsreichen Fahrt unterstützten.

Floh
Graue Drachen

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geschrieben von
07. Oktober 2018 um 11:57 Uhr


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